Shigeru Taniguchi

""Nr. 776", 1977, Siebdruck von Shigeru Taniguchi

1977

Taniguchi wurde 1948 in Fukuoka geboren. Nach seinem Schulabschluss verließ er die südliche Insel Kyushu und zog in die Metropole Tokio. Er widmete sich nebenberuflich der Kunst, indem er Bücher illustrierte und in einer kommerziellen Druckerei arbeitete. Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen japanischen Künstlern, die sich bewusst für ein bestimmtes Thema entscheiden und dieses dann im Laufe ihrer Karriere verfeinern, variierte Taniguchi seine Themen sehr stark, je nachdem, was ihn gerade interessierte. Dies führte zu Werken von erstaunlicher Fantasie und Kreativität - von einer Serie über Noh über Drucke, die von seinen Vorbildern Man Ray und Jasper Johns inspiriert sind, bis hin zu mehreren Drucken zum Thema Pinsel. Jede neue Ausgabe seiner Drucke war ein großer Erfolg bei unseren Kunden, und seine Siebdrucke wurden von zahlreichen internationalen Biennalen angenommen, auf denen er mehrfach mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde. Alles war Futter für seine kreative Mühle, und es war immer eine aufregende Zeit, wenn Mr. Taniguchi kam, um uns eine neue Siebdruckausgabe zu zeigen. Meine Familienmitglieder erkannten oft Gegenstände aus unserem Haushalt wieder, die wir eigentlich wegwerfen wollten, die er aber spannend fand - Zollformulare, Kofferanhänger, ausrangierte Schilder, Briefmarken, Zeitungen, Fotos - sie alle flossen in seine Arbeit ein. Wenn ich mir heute seine Drucke ansehe, kommt es mir oft so vor, als würde ich ein einzigartiges Erinnerungsalbum meiner Familie betrachten, vor allem diejenigen, die Familienfotos oder Bilder der ersten Tolman Collection'S in Tokio zeigen. Im Jahr 2005 zerstörte ein Feuer das Haus und das Studio des Künstlers, woraufhin eine Reihe starker Schwarz-Weiß-Gemälde entstand und danach nichts mehr. Taniguchi-san ging bei 7-Eleven arbeiten, um die Rechnungen zu bezahlen, während er auf kreative Inspiration wartete. Ende 2008 ist er verschwunden. Die Tolman Collection in Tokio war als sein nächster Verwandter aufgeführt, also wurden wir benachrichtigt, und die Tokioter Galerie hatte die mühsame und deprimierende Aufgabe, alles in Taniguchis Haus zu entsorgen. Seitdem hat niemand mehr etwas von ihm gehört, und eine Leiche wurde nie gefunden. Hätte es sich um einen Künstler gehandelt, den ich nicht kannte, würde ich dies vielleicht als Anekdote erzählen, als trauriges abschreckendes Beispiel dafür, wie Künstler lernen müssen, eine Balance zwischen der reinen künstlerischen Vision und der Weltlichkeit zu finden, die man braucht, um in der "realen" Welt Geschäfte zu machen, aber da Mr. Taniguchi ein geliebter, fester Bestandteil meiner Kindheit war, ist sein ungelöstes und unnötiges Ende bis heute zutiefst traurig. Taniguchi-san war ein liebenswerter, netter Mann, ruhig in seiner Person und witzig durch seine Kunst. Er war äußerst unabhängig und kreativ und hatte ein großes Talent, wie die Bandbreite seiner Themen zeigt. Er war ein Rätsel: ein scheinbar einfacher Mann mit einer sehr anspruchsvollen Weltsicht, die sich zumindest in seiner beeindruckenden Kunst ausdrückte.